Janusz Korczak - Reformpädagogik - Eigenpersönlichkeit von Erzieher und Kind
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Unserer Gesellschaft gerecht werdend muss Pädagogik
> die Bedingungen der Möglichkeit von Mündigkeit und Demokratie ergründen und erkunden, sie überzeugend inszenieren und gelingend erlebbar machen.
Wenn es also - anders ausgedrückt - Aufgabe der Pädagogik ist,
> all die Zusammenhänge zu erforschen, die den Weg hilfreich begleiten können, wie aus noch kleinen unmündigen Menschen mündige Erwachsene werden, die unser demokratisches Gemeinwesen aktiv unterstützen und fortentwickeln,
dann stellt sich im Blick auf das Thema "Individualität und Eigenpersönlichkeit der erziehenden Person und des Kindes im reformpädagogischen Konzept J. Korzaks" die Frage, was Korczaks Beispiel und seine Theorie hierzu Zielführendes beitragen kann.


In diesem Zusammenhang erleben Pädagog*innen bei der Begegnung mit Januzs Korzcak ein grandioses Beispiel dafür, wie pädagogische Theorie und Praxis authentisch miteinander verwoben sein könnten.

Korzak gelang es in einem Waisenhaus im Warschauer Ghetto unter menschenfeindlichsten Bedingungen, in denen das Individuum nichts galt, unter seinen Waisenkindern eine Lebenswelt gelingend erfahrbar zu machen, in der sich alle - Kinder und Erzieher - gleichberechtigt, gegenseitig respektvoll und voneinander lernend begegnen. Er lebte seine Theorie überzeugend vor und initiierte den Prozess, in dem in seinem Waisenhaus demokratisch Regeln des repektvollen Zusammenlebens erntwickelt wurden, denen sich dann auch Korczak unterwarf.

Für uns heißt das salopp formuliert: "Demokratie ist machbar, Frau Nachbar!". Wir müssen uns aber heute dringend die Frage stellen: Stell Dir vor, es geht, und keiner kriegst hin?

Zum "Hinkriegen" gehört nach Korczak elementar das gelingende Erleben. Bei ihm wird niemals etwas nur theoretisch unterrichtet, sondern es steuert immer auch maßgeblich das gemeinsame Zusammenleben. Davon können Schüler*innen heute nur träumen, dass sie ein Schulordnung entwickeln, verabschieden sowie inkraft setzen und sie dann Schulleitende, Lehrende oder auch Schüler*innen z.B. wegen respektlosen Verhaltens anklagen und sanktionieren. Für Korczak hörte die Demokratie ganz eindeutig nicht bei der Klassensprecherwahl auf, sondern umfasst die ganze Schule bis hin ihre Spitze.

Wie sehr das gelingende Zusammenleben in einer Gemeinschaft alle Mitglieder in diese integriert, alle nicht nur intellektuell, sondern auch emotional zusammenbindet, zeigt Korczaks klare Entscheidung, obwohl er es nicht gemusst hätte, dennoch mit seinen Kindern ins Vernichtungslager Treblinka zu fahren. Er hat sie auf ihrem Weg in den Tod bis in diesen hinein begleitet.

Betrachtet man Korzcak Schriften im Detail, so wie sie rechts in den Links erscheinen, dann wird ganz deutlich und klar, dass für den Erzieher Korzcak die zu Erziehenden Subjekte der Begegnung und nicht Objekte der Prägung sind. Sein Erziehen ist nicht mehr einseitig, sondern wechselseitig: Erziehen und Erzogenwerden.

Korczaks pädagogischer Gestaltungswille kann nicht offener, nicht demokratischer gedacht werden. Das einzige, was für ihn nicht verhandelbar ist, ist das Demokratische, die Gemeinschaft gegenseitiger Achtung, in der prinzipiell gleichberechtige Subjekte mit- und untereinander ihre Gemeinschaft kreieren und fortentwickeln.

Nachhaltiger können sich keine überzeugten Demokraten entwickeln.

Frage an Euch: Tretet Ihr, wenn ihr demokratische Defizite erlebt, praktisch für besseres demokratisches Gelingen ein? - Einige sicher schon, aber wenn Ihr in der Schule Demokratie umfassender gelingend erleben könntet, dann wäre Euer Einsatz für die Demokratie sicher deutlich größer. Oder?
Wesentliche Vernetzungen mit anderen Themen:
Sucht man nach solchen Vernetzungen, stellt man einerseits fest, dass das Thema Korczak von den Vorgaben her dem Inhaltsfeld 4 und dort "Erziehung in verschiedenen historischen und gesellschaftlichen Kontexten" zugeordnet ist. Andererseits, sofern es bei Geschichte darum geht, nicht nur zu wissen, was war, sondern auch aus dem Gewesenen zu lernen, kann Korzcak nur als Lernhintergrund für ein demokratisch organisiertes und so gelingend erlebbares Schulwesen betrachtet werden.

Insofern zunächst die Vernetzungselemente, die aktuell in unser pädagogisches Leben und Erleben verweisen.

Kohlberg:
Auch wenn in den aktuellen Vorgaben Kohlberg nur noch mit seiner moralischen Entwicklung und nicht mehr mit seiner Just Community auftaucht, nenne ich diesen Bezug hier. Denn ich bin überzeugt davon, dass es einerseits intellektuell anregend und spannend sein kann, sich der Gedankenakrobatik von sechs aufeinander aufbauenden Stufen der Moralentwicklung hinzugeben. Andererseits macht die ganze Gedankenakrobatik nur dann Sinn, wenn man die Praxis fokussiert, in der diese Entwicklungsstufen so durchlaufen werden, dass man nicht nur entsprechend argumentieren kann, sondern sich auch in seinem konkreten Leben von solchen Argumenten ernsthaft leiten lässt. Genau diese Praxis, die zu Stufe 6 führt, wird in Kohlberg Just Community beschrieben.
In umfassend demokratisch organisierten Schulen wie der Just Community ist realistisch erwartbar, dass dort Stufe 6 erreicht wird. In Xi Jinpings oder Putins Schulen ist das kaum zu erwarten. Denn dort geht es um die eine Moral für alle, während es in der Demokratie darum geht, den individuell erarbeiteten moralischen Standpunkt, der sich aus der Debatte mit den Anderen ergibt, die sich auch ihren Standpunkt erarbeiten, immer wieder neu zu debattieren, um dann nach einer vorläufigen Abstimmung, sich an die Mehrheitsentscheidung auch dann gebunden zu fühlen, wenn diese den eigenen moralischen Standpunkt nicht voll abbildet.
In der Demokratie gibt es eben viele Standpunkte und nicht nur den einen. Trotz dieser Differenzen friedlich miteinander umgehen zu können, verlangt, einerseits einen eigenen Standpunkt zu haben, diesen andereseits aber nicht absolut zu setzen. Das ist Kohlbergs Stufe 6, bestens erreichbar in einer funktionierenden Just Community. Diese unterscheidet sich wie auch Korczaks Waisenhausorganisation elementar von unserer/eurer Schulorganisation.
Das muss man sich einmal genau durch den Kopf gehen lassen: Da steht etwas in den Lehrplänen als Pflichtinhalt und die, die es vorschreiben, halten sich selbst in ihrer Schulorganisation nicht wirklich daran. Wissensforderungen und Handlungsmöglichkeiten dürften so nicht auseinanderfallen.

Klafki:
Wolfgang Klafki hat auf bestechende Art und Weise für eine Schule wie die unsere, die nicht demokratisch organisiert ist, dargestellt wie dennoch das in ihr verlangte Wissen dem Ziel der Ausbildung von Selbstbestimmungs-, Mitbestimmungs- und Solidaritätsfähigkeit dienlich gemacht werden kann, indem im Horizont epochaltypischer Probleme dazu Inhalte exemplarisch passend und elementar den Kern treffend sein sollen, damit die Schüler*innen so dazu kommen, nicht nur viel Gutes zu wissen, sondern fundamental davon überzeugt sind, dass entsprechend gehandelt werden sollte und sie das auch tun, auch wenn sich diese Erkenntnisse nicht in der Organisation ihrer Schule spiegeln. Für Letzteres hat sich Klafki nie ausgeprochen, es aber auch nicht so eingefordert und durchdacht wie Korzcak und Kohlberg.

Montessori: Wie Korczak wird auch die Montessoripädagoik der Reformpädagogik zugeordnet. Ihre historische Betrachtung zeigt einerseits, wie schwierig es war, die Rechte des Individuums, vor allem auch des kindlichen Individuums, nun so frei zu denken, wo doch die Zeit noch lange nicht zu Ende war, in der es dem Menschen aufgegeben war, brav den ehernen Gesetzen zu folgen, die ihm von Kirche, Monarchie und sonstige metaphysische Offenbarungen aller Art vorgegeben wurden.
Mit Korczak könnte man sagen, dass der Mensch in diesen Zeiten zuvor vornehmlich als Objekt der Prägung im Blick stand, als Gehorchender, und nicht als Subjet der Begnung, als gleichberechtigt mitbestimmender Akteur.
Betrachtet man aber die Montessori-Pädagogik heute, bieter sie zielführende Elemente für eine gelingend erlebbare demokratische Praxis und ihre anfänglich esoterisch anmutenden kosmologischen Anwandlungen können heute als der Zeit geschuldet betrachtet werden. Ganz anders die Steinerschen, die anthroposopischen Ideen hinter den Waldorfschulen, die sich in der Demokratie nicht aus ihrer ideologisch philosophischen Entstehungsgeschichte lösen konnten und heute voll in der Querdenkerszene angekommen sind, in der dem Anderen eben nicht mit der demokratischen Grundannahme begegnet wird: "Du könntest auch Recht haben."

Nun die Vernetzungspunkte, die sich auf je unterschiedliche Art mit Korczaks Sicht auf das gleichberechtige Individuum bzw. auf das Subjekt der Begegnung in Zusammenhang bringen lassen:

Dazu diese Tabellen, die ihr aus anderen Zusammenhängen kennt.
I II III IV V
Hurrelmann/Bauer Prod. Realistätsverbeiter Individuation Integration Ich-Identität
Freud Triebwesen ES ÜBER-ICH Ich
Erikson Psychosoziales Wesen Maladaption/Fehlentwicklung Malignität Ausbalancierte Ich-Identität
Mead Kommunikationswesen I ME SELF
Piaget Lernwesen Assimilation Akkomodation Adaptation

Die Tabelle ruft in Erinnerung, dass es im Pädagogik-Unterricht immer wieder darum ging, aus den unterschiedlichsten Perspektiven (I) auf den Menschen (II) zu sehen und ihn zwischen seinen Wünschen, einerseits ganz er selbst zu sein (III) und andererseits nur unter den Anderen sein zu können (IV), zu betrachten. Was ihn dann zwischen diesen Polen ausmacht (V), mündet zentral in ganz oben gestellte Frage nach Mündigkeit und Demokratie.





Kohlberg













Klafki







Montessori
Reformpädagogik














Hurrelmann/Bauer

Freud

Erikson

Mead

Piaget